Ein Brief vom Bizykelfahrer an den Präsidenten

Im Mai 2015 radelte Herbert Liess als passionierter Bizykelfahrer von Donaueschingen im Schwarzwald, wo sich die offizielle Donauquelle befindet, bis zur Mündung der Donau ins Schwarze Meer. Dabei fuhr er auf dem Donauradweg, der Teil des europäischen Langstreckenradweges EuroVelo 6 ist. In der Weihnachtsausgabe des Heldsdörfer Briefs der Heimatgemeinschaft Heldsdorf wurde ausführlich von der Radreise berichtet (HB 113 – Herbert Liess – Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer).

In Rumänien staunte Herbert über die Beschilderung des Radweges: Sie war überhaupt nicht vorhanden. Herbert fand das weniger gut und entschloss sich, einen Brief zu schreiben: Er war mit seinem Bizykelbruder Erwin Lang im Jahr 2007, als Hermannstadt Kulturhauptstadt Europas und Klaus Johannis ihr Bürgermeister war, nach Rumänien geradelt. Beide wurden damals als „radelnde Brieftauben“ von Johannis empfangen, da sie Briefe der Bürgermeister von Landshut, der Partnerstadt von Hermannstadt, und Waldkraiburg für Johannis dabei hatten.

Aufgrund des damaligen Kontakts entschloss sich Herbert nach seiner Radtour, dem mittlerweile zum Staatspräsidenten von Rumänien aufgestiegenen Johannis zu schreiben und ihn zu bitten, sich für eine Verbesserung der Verhältnisse auf dem rumänischen Abschnitt des Donauradweges einzusetzen. Der Brief:

 

Herrn Staatspräsident
Klaus Johannis
Bukarest
Rumänien

Waldkraiburg, 25.08.2015

Betreff: Donauradweg

 

Sehr geehrter Herr Staatspräsident,
sehr verehrter Herr Johannis,

auch wenn mir bewusst ist, dass Sie viele andere, schwerwiegendere Probleme in Rumänien zu bewältigen haben, so möchte ich Ihnen trotzdem von meinen Reiseeindrücken mit dem „Bizykel“ durch Rumänien berichten, einer Reise, die ich dieses Jahr im Mai unternommen hatte. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, den Donauradweg von Anfang bis zum Ende zu radeln, bzw. die Donau von der Quelle bis zur Mündung auf dem Fahrrad zu begleiten. Dieser Donauradweg ist ein Teil – wenn auch der längste – des europäischen Atlantik-Schwarzes Meer-Radweges, kurz EUROVELO 6 genannt.

Es handelt sich hier also um ein europäisches Projekt, in das mehrere europäische Staaten eingebunden sind. Da ich auf dieser meiner oben erwähnten Reise vom 4.-28. Mai 2015 sieben Länder und auch vier europäische Hauptstädte durchquert habe, weiß ich wovon ich spreche: Ich konnte mir einen Überblick darüber verschaffen, wie jedes einzelne Anrainerland der Donau sich um die Qualität des Radweges und dessen Beschilderung kümmert bzw. wie ernst jedes dieser sieben Länder dieses europäische Großprojekt Donauradweg nimmt.

In Deutschland und Österreich – das ja eigentlich mit dem Donauradweg in den 1960er Jahren begonnen hat – sind die Wege größtenteils in Ordnung, gut beschildert, auch wenn sie ab und zu repariert gehören. Slowakei und Ungarn haben auch größtenteils ziemlich gute Radwege, relativ gut beschildert, auch wenn momentan die Qualität des Radweges in den Vororten von Budapest einiges zu wünschen übrig lässt. Andererseits fällt einem auf, dass die Ungarn von Süden her sich diesem Projekt annehmen, auch wenn man auf großen Werbetafeln lesen kann, dass die Arbeiten von der EU subventioniert werden. Dass sich aber im Süden Ungarns etwas tut, ist unbestritten und man radelt auf wirklich guten Fahrradwegen. Die Kroaten haben scheinbar die meisten ihrer Straßen nach dem Balkankrieg erneuert, der Donauradweg (Rudna Duna) ist entsprechend ausgeschildert, wenn auch nicht immer glücklich, aber immerhin: Es existieren Schilder.

Serbien hat teilweise noch richtig marode Straßen, im Gegensatz zu Kroatien haben sie scheinbar nach dem Balkankrieg sich noch nicht den Straßen widmen können, dafür aber dem Donauradweg. Den am besten beschilderten Donauradweg habe ich in Serbien angetroffen. Nicht nur genau ausgeschildert mit Kilometerangaben die stimmen, sie haben sich auch die Mühe gemacht Lebensweisheiten, Zitate von Prominenten von Picasso über Goethe bis Kant oder Erfahrungen aus der Schule des Lebens auf die ansehnlichen Wegweiser zu schreiben, und zwar in Serbisch aber auch in Englisch. Und wenn mal kein Zitat oder kein Spruch da ist, haben sie sich darum bemüht, den Radtouristen der ja auch einen gewissen Kraftaufwand betreibt, zu trösten bzw. ihm Mut zuzusprechen, dass es nach einem schlechteren Teil der Straße wieder einen besseren geben wird. In meinen Augen eine sehr, sehr gute Idee, wie man sich bei Touristen eigentlich für wenig Geld sehr beliebt machen kann.

Ab Drobeta-Turnu Severin kam ich dann nach Rumänien und habe die ganze Walachei durchquert, über Calarasi bis Constanta bzw. Tulcea. Allerdings war ich Gott sei Dank mit einem Radatlas ausgestattet und einer Landkarte, wusste somit wo es lang geht, aber einen Wegweiser für den rumänischen  Teil des Donauradweges habe ich vergeblich gesucht. Ehrlich gesagt, ich weiß bis heute nicht, wie der rumänische Begriff für den Donauradweg lautet. Es war leider sehr deprimierend zu sehen, dass in Rumänien der Donauradweg so gut wie inexistent ist. Sicher gibt es Wege, die meisten davon auch gar nicht so schlecht wie teilweise in Serbien zum Beispiel. Dennoch nirgendwo auch nur ein Wort über dieses europäische Projekt, das Länder wie Serbien, die eigentlich noch gar nicht in der EU sind, am besten gelöst haben und von denen sich sogar die Deutschen und Österreicher noch eine Scheibe abschneiden könnten. Wir leben in Zeiten der Globalisierung, die Grenzen sind unwichtig geworden und auf dem Donauradweg trifft man Radfahrer aus ganz Europa. Ich selber habe neben vielen anderen auch ein Pärchen aus Frankreich getroffen oder aber auch zwei Engländer von denen der jüngere in zwei Jahren rund um die Welt radeln wollte.

Sehr geehrter Herr Staatspräsident, ich denke, dass sich diese Menschen auch ihre Meinung bilden, mit anderen Radfahrern in ganz Europa bzw. auf der ganzen Welt reden und sich austauschen werden. Das wird vermutlich keine gute Publicity abgeben, wenn im ganzen Land kein einziger Hinweis auf diesen besagten Donauradweg existiert. Dabei könnte man mit so einem Projekt etliche Arbeitsplätze schaffen. Wenn der ganze Radweg beschildert ist, könnten wiederum etliche Unternehmer Pensionen eröffnen, es könnte da ein kleiner Wirtschaftsboom entstehen, wenn man das Ganze vernünftig angeht. Außerdem gibt es ja wie schon erwähnt, Subventionen von der EU, wie das Beispiel Ungarn gezeigt hat.

Sehr geehrter Herr Johannis, Sie haben uns damals vor acht Jahren, als Hermannstadt Kulturhauptstadt Europas war, im Rathaus in Hermannstadt empfangen, wofür ich Ihnen heute noch dankbar bin. Sie waren auch froh, als wir Ihnen bestätigten, dass Hermannstadt sehr fahrradfreundlich eingestellt ist. Deshalb wäre ich Ihnen, sehr verehrter Herr Johannis, heute dankbar, wenn Sie sich diesem oben beschriebene europäische Projekt Donauradweg auch widmen könnten, in welcher Form auch immer, aber man kann nicht über knapp 1000 Kilometer kein einziges Schild aufstellen und behaupten man sei in der EU. Das ist, abgesehen vom Reputationsschaden den man international erleidet, auch nicht fair den anderen europäischen Nachbarn gegenüber.

In der Hoffnung, dass sich diesbezüglich in nächster Zeit etwas tut, dass ein ausgeschilderter Donauradweg auch in Rumänien noch mehr Radtouristen vom Eisernen Tor bis nach Tulcea bescheren möge, verabschiede ich mich für heute, wünsche Ihnen allzeit ein glückliches Händchen bei Ihren Entscheidungen, die beste Gesundheit und alles erdenkliche Gute,

Ihr Bizykelfahrer

Herbert Liess

Antwortschreiben Johannis

 

Herbert schickte den Brief nach Bukarest an den rumänischen Staatspräsidenten. Auf eine Antwort wartete er nicht wirklich. Doch kurz vor Weihnachten, siehe da, kam Post aus Bukarest. Nicoleta Nicolae, die Leiterin der Kanzlei des Staatspräsidenten, hatte im Namen von Klaus Johannis geantwortet. Sie teilte Herbert mit, dass man den Brief dem zuständigen Transportminister Marian Dan Costescu weitergeleitet hätte.

Herberts Mühe war nicht umsonst. Ob der Brief etwas bewirkt bleibt abzuwarten. Herbert wird die Entwicklung beobachten. Er ist zunächst froh und dankbar, dass ihm der rumänische Staatspräsident, der als Bürgermeister in Hermannstadt unter anderem für die Bürgernähe geschätzt wurde, geantwortet und dafür gesorgt hat, dass der Brief die geeignete Stelle erreicht.

Wenn der rumänische Donauradweg dann beschildert ist, dann könnten wir ja mit dem Rad ins Donaudelta fahren, um dort die angedachte Paddeltour zu machen …

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