Von Dilettanten, Handlangern und Knastautoren

Am 12. März 2016 erschien auf Spiegel Online der Beitrag von Keno Verseck „Der Dilettant“. Der tat weh.

In dem Beitrag geht es um die Amtsführung von Rumäniens Staatpräsident Klaus Johannis. Keno Verseck, der Autor, kritisiert vor allem, dass Johannis zugestimmt hat, dem ehemaligen Temeswarer Pfarrer László Tökés, dessen anstehende Festnahme 1989 die Unruhen und den anschließenden Sturz Ceauşescus auslöste, den 2009 anerkannten Orden „Stern Rumäniens“ abzuerkennen. Verseck schreibt, dass der einstige Hoffnungsträger, der ein „Rumänien der gut gemachten Sachen“ versprach, vor allem mit schlecht durchdachten Entscheidungen von sich reden macht und Wähler enttäuscht.

Ich finde den Titel „Der Dilettant“ heftig und herablassend, da ich Johannis anders wahrnehme und denke beziehungsweise hoffe, dass er seine Sache gut macht. Insgesamt fühle ich mich auch als Sachse angegriffen. Wir sind doch keine Dilettanten! Ist zwar verrückt, aber das war eine meiner Reaktionen. Ich hoffte insgeheim, dass die Vorwürfe nicht zutreffend oder zumindest überspitzt sind.

Um mehr zu dem Thema zu erfahren, landete ich beim Diskussionsforum „Klaus Johannis als Staatspräsident Rumäniens“ auf der Internetseite des Verbandes der Siebenbürger Sachsen.

Auf den Seiten des Forums (ich meine, es geht auf Seite 8 los) war bereits eine hitzige Diskussion im Gange. Verbandspräsident Dr. Gerd Fabritius postete am 13. März „Peinlich: unseriösester Skandaljournalismus aus Rumänien schwappt in den Spiegel hinein. Dieser macht sich unkritisch zum Handlanger Jobbik-naher revisionistischer, nationalistischer Sezessionsanhänger, die aus Siebenbürgen (seit 1918 Teil Rumäniens) ein „ungarisches Protektorat“ machen wollen.“

Hintergrund ist, dass sich László Tökés, mittlerweile Abgeordneter im Europaparlament, zum Teil sehr vehement für eine Autonomie der Ungarn in Rumänien einsetzt.

Aus meiner Sicht hat es sich damit Herr Fabritius jedoch ziemlich einfach gemacht: Das, was Verseck geschrieben hat, sei ein peinlicher Schmähartikel. Punkt. Verseck recherchiert nicht richtig – vielleicht, so ist zwischen den Zeilen zu lesen, hat er ja den Artikel im Auftrag geschrieben. Der Spiegel hätte das auf jeden Fall so nicht veröffentlichen sollen, da unseriös.

Verseck hat aus meiner Sicht sehr viele fundierte Beiträge geschrieben und mit diesen dafür gesorgt, dass die Geschehnisse in Rumänien (und auch in Ungarn zum Thema Jobbik/rechte Strömungen) auch in der deutschen Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen werden. Nach der Wahl von Klaus Johannis hat er diesen in dem Beitrag „Allein gegen die Mafia“ sehr positiv porträtiert. Verseck schreibt nicht nur für den Spiegel, sondern auch für andere Medien. Zudem hat er nicht nur Rumänien im Fokus (auf seiner Homepage sind zum Thema Rumänien 50 Beiträge gelistet), sondern generell Mittel- und Osteuropa. Warum er den Beitrag so geschrieben hat, wie er veröffentlicht wurde, gehört meiner Meinung nach stärker hinterfragt. Und dazu gehört auch die Frage, was ist an den Vorwürfen dran?

Ich werde diese Frage hier nicht beantworten können. Man wird sehen … Übrigens hat László Tökés nach Aberkennung des Ordens „Stern Rumäniens“ von Ungarn einen Ehrenorden für „Mut und Verdienste um die rumänische Revolution“ erhalten. Was für ein Zufall …

Im Diskussionsforum „Klaus Johannis als Staatspräsident Rumäniens“ ging es auf jeden Fall weiter heiß her. Auf der einen Seite wurde generell über Journalisten geschimpft oder dem Spiegel empfohlen, Keno Verseck zu feuern (ein lustiger Vorschlag bei freiberuflichen Journalisten), auf der anderen Seite machten sich andere Nutzer die Mühe, die Fehler Johannis‘ aufzuzählen. Ein Nutzer stellte dazu eine ganze Liste an angeblichen Verfehlungen zur Diskussion.

Ich hoffe insgesamt immer noch, dass Klaus Johannis einen guten Job macht und irgendwann mal als Präsident Rumäniens in die Geschichte eingeht, der das Land ein gutes Stück vorwärts gebracht hat. Aus meiner Sicht agiert er in einem sehr schwierigen Umfeld mit Fallen an jeder Ecke. Möglicherweise hat er einige davon in den letzten Monaten nicht umgehen können, lernt aber daraus.

In was für einem Umfeld Johannis seinen Job macht, mit was für Politikern und Seilschaften er zu tun hat, zeigt beispielsweise auch ein anderer Artikel von Keno Verseck zu einem Thema, dass in den letzten Monaten für Aufsehen sorgte: Verurteilte kriminelle Politiker und Geschäftsleute können ihre Haftstrafe verkürzen, indem sie wissenschaftliche Artikel und Bücher veröffentlichen. Das Parlament hält an der Regelung fest, da die Abgeordneten sich solidarisch mit politischen Freunden in Haft zeigten. Die Regelung hat auf jeden Fall zu einer richtigen Flut an Veröffentlichungen aus den Gefängnissen heraus geführt – Veröffentlichungen, die zum Teil wieder unter sehr zweifelhaften Bedingungen entstanden sind. Einen sehr schönen Kommentar dazu – „Schreiben macht frei“ – hat Jan Cornelius in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien veröffentlicht.

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