Was für ein gewaltiger Roman!
„Karpathia“ von Mathias Menegoz war ein Zufallstreffer. Ich war mit der Familie in einer Buchhandlung, als mir der Roman aufgrund des Titelbildes auffiel. Die darauf gezeigte Burg ähnelt der Törzburg. Dann fiel mir der Name ins Auge. Und das Buch war so gut wie gekauft.
Die Handlung spielt im 19. Jahrhundert. Hauptmann Alexander Korvanyi dient gewissenhaft in der kaiserlichen Armee in Wien und macht Karriere. Durch Zufall lernt er Cara von Amprecht kennen und verliebt sich in sie. Als eines Abends ein Offizier in angeheitertem Zustand über Cara urteilt, sie sei wohl besser als Geliebte denn als Frau, fordert ihn Alexander zu Duell. Dieses braucht er als Wendepunkt, um ein neues Leben beginnen zu können.
Nach dem Duell heiratet er Cara und zieht mit ihr nach Siebenbürgen, wo er als Nachkomme einer ungarischen Adelsfamilie riesige Ländereien in der Nähe von Sächsisch-Regen besitzt. Die Gegend ist sogar nach seiner Familie benannt: Korvanyia.
Allerdings ist der Plan sehr heikel: Die Korvanyis mussten nach einem Aufstand der walachischen Leibeigenen Ende des 18. Jahrhunderts ihre Burg und ihre Ländereien aufgeben. Ein Teil der Familie wurde getötet, der andere konnte fliehen. Seither wurden Burg und Ländereien, auf denen sich walachische, ungarische und sächsische Dörfer befinden, mehr schlecht als recht von einem ungarischen Verwalter geführt.
Alexander wird in Siebenbürgen zum Grafen Korvanyi, der meint, durch Strenge vor allem den rumänischen Leibeigenen gegenüber die Korvanyia wieder zu alter Blüte führen zu müssen. Als zwei Jungen verschwinden, einer von Zigeunern, die bei der Ernte helfen, einer aus einem walachischen Dorf, sowie ein ungarisches Mädchen vergewaltigt wird, spannt der Graf seine adligen Nachbarn sowie das Militär ein, um knallhart seine Interessen zu verfolgen. Da dies in einem Gebiet mit mehreren Völkern zu einer instabilen Zeit passiert, haben seine Aktionen drastische Folgen.
Das Buch beleuchtet auf über 600 Seiten eine sehr spannende Phase der Geschichte Siebenbürgens: Obwohl die Rumänen im 18. Jahrhundert bereits die Mehrheit der Bevölkerung Siebenbürgens stellten, hatten sie keine politischen Rechte. Sachsen und Szekler waren als eigene „Nationen“ mit eigenen Verwaltungsgebieten neben dem ungarischen Adel weitaus besser gestellt. Insbesondere die Rumänen, die unter der Herrschaft ungarischer Adliger auf Boden lebten, der den Adligen unterstellt war, lebten in sehr schwierigen Verhältnissen. 1784 kam es dadurch zu einem großen Bauernaufstand, der in dem Buch aufgegriffen wird. Die Leibeigenschaft wurde in Siebenbürgen erst 1848 abgeschafft.
Die Sachsen kommen in „Karpathia“ nur am Rande vor. Der Konflikt spielt sich zwischen dem ungarischen Adel und den Rumänen ab. Das Buch ist sehr spannend und bildhaft geschrieben, was auch die Beschreibung der Personen umfasst. Alexander Koravnyi beispielsweise, für den ich am Anfang des Romans noch Verständnis aufbrachte, wandelt sich zum absoluten Tyrannen. Das war eine böse Zeit damals …
„Karpathia“ erschien Ende August 2017 und wurde auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert Der französische Autor Mathias Menegoz wurde 1968 geboren. „Karpathia“ ist sein erster Roman. Seine Mutter ist gebürtige Donauschwäbin. „Karpathia“ erschien bereits 2014 auf Französisch und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.