Der bereits seit langem schwelende Konflikt zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft in Rumänien hat eine neue Dynamik gewonnen. Anfang der Woche hat die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA das Vermögen von Liviu Dragnea eingefroren, dem bereits vorbestraften Chef der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) und Präsident des Abgeordnetenhauses. Hintergrund ist, dass der finanzielle Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro, der dem Staat aufgrund einer anscheinenden Korruptionsaffäre entstanden ist, nach Bestätigung der Beschuldigungen auch eingezogen werden kann. Dragnea wird beschuldigt, vor Jahren ein kriminelles Netzwerk gegründet zu haben, mit dessen Hilfe er EU-Gelder veruntreut hat.
Da die Regierung zudem auf fragwürdige Art und Weise das Justizsystem verändern will sowie eine umstrittene Steuerreform auf den Weg gebracht hat, formiert sich massiver Widerstand. Zivilgesellschaft, Opposition, Gewerkschaften planen am heutigen Sonntag massive Demonstrationen.
Bereits zum Jahresanfang hatten Hunderttausende gegen die drohende Unterordnung der Justiz protestiert. In Folge musste nach internen Machtkämpfen die Regierung Grindeanu gehen. Was damals nicht gelang, soll nun in einem weiteren Anlauf vollzogen werden. Zum Wohle der Politiker, die bereits vorbestraft sind oder gegen die wegen Korruption und Amtsmissbrauchs ermittelt wird. Wie zum Beispiel Liviu Dragnea. Aber auch gegen den Chef der ALDE, dem Koalitionspartner der PSD, Calin Popescu-Tariceanu, der zugleich Senatspräsident ist, wird wegen Meineids ermittelt.
Staatspräsident Klaus Johannis kritisiert das Vorhaben in scharfen Tönen. Ihm droht jedoch ein Amtsenthebungsverfahren. Die PSD wirft ihm vor, dass er „undemokratische Missbräuche“ billige und einen „Parallelstaat“ unterstütze beziehungsweise an dessen Spitze stehe. Johannis fordert im Gegenzug den Rücktritt Dragneas als Präsident der Abgeordnetenkammer, wie die ADZ berichtet:
„Es sei ein Fehler, dass Personen mit strafrechtlichen Problemen staatliche Führungspositionen innehaben. Einmal dort angekommen, sei es in ihrem Hauptinteresse, die „eigene Haut zu retten, nicht die der Rumänen“. Die Situation erinnere zunehmend an einen „Zirkus“; gegenüber Staatschefs sei es zunehmend schwieriger zu erklären, wie und warum die Bürger dies weiter hinnehmen.“
Am Sonntag kommt es nun bei den Demonstrationen zu einer Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Gewerkschaften. Beide Seiten fordern den Rücktritt der Regierung.
Es ist aus meiner Sicht zu wünschen, dass dies gelingt. Seit dem Sieg der PSD bei den Parlamentswahlen Ende 2016 versucht sie unter Führung von Dragnea, sich den Staat unterzuordnen. Sollte dies gelingen, wäre es für Rumänien dramatisch. Die Signale, die davon an andere Politiker auf verschiedenen Ebenen ausgehen würden, dürften verheerend sein. Zudem würde die Regierung das Land in eine sehr fragwürdige Ecke der EU katapultieren, was sich wahrscheinlich wirtschaftlich und politisch sehr negativ auswirkt. Dass darunter dann vor allem die normalen Bürger Rumäniens leiden, steht außer Frage. Aber das dürfte Dragnea und Konsorten egal sein.