Wie die Madonna auf den Mond kam

Ich weiß, ich bin einige Jahre zu spät. „Wie die Madonna auf den Mond kam“ ist 2009 erschienen. Zudem haben schon viele andere Leute an prominenter Stelle darüber geschrieben. Im SPIEGEL, der WELT, im FOCUS – das Buch wurde bereits oft besprochen. Und doch will ich auch meine Meinung kundtun, da mir das Buch sehr gut gefallen hat.

Auf „Wie die Madonna auf den Mond kam“ stieß ich, als ich Informationen zu dem Autor Rolf Bauerdick suchte. Von diesem hatte ich nämlich das Buch „Zigeuner. Begegnungen mit einem ungeliebten Volk“ gelesen und auch hier im Blog vorgestellt. Und da Bauerdick – mehr zu ihm gibt es in dem oben erwähnten Beitrag – mich mit dem Buch beeindruckt hatte, war ich erfreut und gespannt auf seinen ersten Roman. Zumal er von Verlagsseite sehr geheimnisvoll und Spannung versprechend gepriesen wurde:

„In den Karpaten dämmert das Bergdorf Baia Luna verschlafen vor sich hin. Bis zu jenem verhängnisvollen Morgen am 6. November 1957, als seine Lehrerin dem 15-jährigen Pavel Botev den verstörenden Auftrag zuflüstert, einen Menschen zu vernichten […]“

Das klang zunächst nach Krimi. Doch das Buch ist viel mehr. Die oben genannten Buchbesprechungen erwähnen denn auch den Erfolg, den Bauerdick mit dem Roman 2009 auf der Buchmesse in Frankfurt hatte. Unerwartet, denn Bauerdick war bereits über 50 Jahre alt und hatte sich bis dahin nicht als Romanautor hervorgetan. Der Roman hat jedoch Furore gemacht – sonst hätten sich nicht alle Feuilleton-Abteilungen der Zeitschriften auf ihn gestürzt.

Der Roman spielt hauptsächlich in Baia Luna, einem kleinen, aus 30 Häusern bestehenden und abgelegenen Dorf in den Karpaten. Der nächste Ort, Apoldasch, ist anderthalb Stunden zu Fuß entfernt. In Baia Luna leben Rumänen, Ungarn, Sachsen und Zigeuner weitgehend einträchtig miteinander. Dazu beigetragen hat der aus Österreich nach Baia Luna verbannte Pater Johannes Baptiste.

Es geht im Jahr 1957 los. Im All ist gerade die Hündin Laika im russischen Sputnik 2 um die Erde herum unterwegs. Das führt bei einigen Dorfbewohnern zu Irritationen und Spekulationen um den Zweck der russischen Mission. Sie nehmen an, die Russen zielen darauf ab, Beweise für die Existenz Gottes zu vernichten. Sie wähnen die Madonna, die Mutter Gottes, die als einzige Person in den Himmel aufgefahren ist, auf dem Mond, und fürchten, die Russen seien hinter ihr her.

Baia Luna gibt es übrigens nicht. Es ist ein fiktiver Ort im fiktiven Land Transmontanien. Transmontanien aber ist eine Kopie von Rumänien. Die nächstgrößere Stadt von Baia Luna ist Kronauburg. Erinnert an Kronstadt …

Held der Geschichte ist Pavel Botev, der die Geschichte rückschauend erzählt. Sein Großvater Ilja, der Kneipenwirt des Ortes und ein glühender Anhänger der amerikanischen Vormachtstellung in der Welt, und dessen Freund Dimitru Gabor, ein Zigeuner, spielen weitere wichtige Rollen in der Geschichte. Zu Beginn von dieser gibt es noch die alkoholabhängige und demotivierte Lehrerin Angela Barbulescu. Sie gibt Pavel den Auftrag, einen Mann zu vernichten. Pavel ist schockiert und nimmt an, dass dieser Mensch ihr übel zugespielt hat. Mehr weiß er jedoch nicht. Dumm ist, dass der Mensch, Stefan Stephanescu, ein „hohes Tier“ ist, und zwar Parteisekretär in der Kreisstadt Kronauburg.

Pavel weiß mit dem Auftrag der Lehrerin zunächst nicht wirklich viel anzufangen und beginnt, sich in ihre Geschichte einzuarbeiten. Zumal die Lehrerin eines Tages verschwindet. Daraufhin taucht die Securitate im Ort auf, die man bis dahin in Baia Luna nur vom Hörensagen kannte. Überhaupt war Baia Luna bis dahin vom Sozialismus übersehen worden.

Als dann auch noch Pater Johannes tot aufgefunden wird, zudem grausamst zugerichtet, und die bedeutsame Madonna aus einer Kapelle nahe des Dorfes verschwunden ist, gerät das Dorf aus den Fugen. Die Sachsen kommen übrigens mit dem Chaos und der Ende der Gemeinschaft am wenigsten gut zurecht.

Pavel stößt bei der Aufarbeitung der Geschichte seiner Lehrerin auf allerlei Unrecht. Allerdings versacken seine Bemühungen irgendwann mal angesichts der Übermacht des Staatsapparats im Grau des Sozialismus. Erst 1989 ergibt sich wieder die Chance, Stephan Stefanescu zur Verantwortung zu ziehen. In einem irrwitzigen Finale des Buches laufen viele Fäden zusammen. Es zeigen sich sehr überraschende und dann doch bezüglich der erzählten Geschichte logische Verknüpfungen.

„Wie die Madonna auf den Mond kam“ ist ein heiterer und origineller Roman. Auf Deutschlandfunk wird der Roman als „wilder Ritt der Phantasie“ bezeichnet. Dem kann ich zustimmen. Bauerdick baut die Geschichte auf den mehr als 500 Seiten kunstvoll zusammen und verwebt Gehörtes, Geschichtliches, Skurriles, Erdachtes und Vermutetes zu einer runden Sache. Sehr gelungen ist meiner Meinung nach die Einbettung des Mikrokosmos‘ von Baia Luna und der zentralen Figuren des Ortes samt ihrer Weltanschauungen in die Geschichte Rumäniens und auch in jene des Kalten Kriegs.

Schmunzeln musste ich über das sehr harmonisch dargestellte Zusammenleben von Rumänen, Ungarn, Zigeunern und Sachsen in Baia Luna, einem „friedfertigen Ort, in dem die Einheimischen mit den schon vor Jahrhunderten eingewanderten Ungarn und deutschen Sachsen in der stillschweigenden Übereinkunft lebten, einander das Dasein nicht allzu schwer zu machen“ (Seite 47). Das habe ich in Siebenbürgen nicht immer so kennengelernt.

 

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