Winter- und Kulturschock in Almen

Am Donnerstagabend vor einer Woche habe ich viel und gut gelacht. Das lag an den beiden Herren auf dem Bild, ihren Geschichten und Liedern:

Der Reihe nach: Zwei gute Freunde aus Darmstadt, die ich auch schon mal mit nach Rumänien nehmen durfte, hatten mich auf eine Lesung in der Guten Stube in Darmstadt aufmerksam gemacht. Ferdinand Führer (links auf dem Bild) und Roland van Oystern, von Wikipedia als Künsterduo geführt, hatten einen harten Winter in Almen (Alma Vii). Doch das wollten die so und nun darüber berichten. Almen liegt etwa 15 km südlich von Mediasch und ist ein Nachbarort von Meschen.

Das Bild der beiden mit den Mützen auf der Ankündigungsseite sowie Sätze wie: „Das Setting: Die beiden Jungs fahren mit einer Schrottkarre nach Rumänien, um dort 80 Tage mitten im Winter in einem 200-Häuser-Dorf über den jeweils anderen Tagebuch zu führen.“ sorgten auf meiner Seite für Vorfreude. Und Respekt!

Ich wurde nicht enttäuscht – der Abend war lustig – und fuhr mit einem breiten Lächeln im Gesicht sowie als neuer als Besitzer des „Rumänientagebuches“ der beiden sowie einer CD mit Lieder, die in Almen entstanden sind, wieder nach Hause.

Ferdinand und Roland sind nämlich nicht nur Reisende, sondern sie schreiben auch Geschichten sowie Bücher und machen Musik. Den Abend in der Guten Stube gestalteten sie damit, dass sie aus ihrem Buch „Ein Tag Hagel und immer was zu Essen da“ vorlasen, Anekdoten aus ihrem Leben oder der Reise nach Rumänien erzählten sowie Lieder spielten und Filmchen zeigten, die ebenfalls dem siebenbürgischen Winter und dessen Einfluß auf das künsterische Schaffen der beiden zu verdanken sind. Die CD ist bei uns zu Hause momentan so etwas wie die aktuelle Gute-Laune-CD. Obwohl Ferdinand und Roland nicht immer gute Laune in Almen hatten. Das weiß das Lied „Ist der Ofen aus – Low Fun“ zu berichten, das ein spektakuläres Ofensolo bereithält (Klick auf das Bild).

Die Filmchen, die das Künsterduo auf dem youtube-Kanal „Ferdinand & Roland“ anbietet, setzen eine bestimmte Art von Humor voraus. Ich genieße sie in homöopatischen Dosen.

Das Buch der beiden ist stärker und verfestigt ein Grinsen im Gesicht. Ein Leser kommentiert auf Amazon das Buch mit „Vielleicht der große Beziehungsroman unserer Zeit.“ Streicht man „Roman“ und ersetzt es durch „Tagebuch über den anderen“ erhält man eine validere Aussage. Roland hat nämlich in dem Buch die Tage und das Wesen von Ferdinand beschrieben und andersrum. Das führt dann zu herrlichen Textpassagen:

„20.12.

[…] „Benzino grazie.“ Roland bedankt sich beim ungarischen Tankwart für den Sprit und weiter geht die Fahrt. Trotz Aufklärung meinerseits, dass wir auf gar keinen Fall ein Land passieren werden, in dem „grazie“ ein gebräuchliches Wort für „danke“ ist, sollte ihm das noch dreimal passieren.“ […]

„23.01.2015, Tag 37, Freitag

Wir nehmen jeder täglich eine Sonnenlichtkapsel. Die Health-Plus-Fabrik in Seaford/Großbritannien stellt die Kapseln her, eine pro Tag gleicht das Fehlen von Sonnenlicht optimal aus. Wenn die beiden Töpfchen leer sind, fahren wir wieder heim. […] Ferdinand hat sich seine Kapseln eines Nachmittags auf die Hand gekippt, um noch eine bessere Vorstellung von der Menge zu bekommen, und ein paar Stunden später direkt zwei auf dem Boden gefunden.

Ferdinand ist ohnehin eine dieser seltenen Personen, die einem das Gefühl vermitteln, es brösle ständig etwas von ihnen herab. Meistens trifft das bei Ferdinand auch tatsächlich zu. Jedenfalls verlässt er selten einen Ort gänzlich unverbröselt, wenigstens ein paar Tabekkrümmel und etwas Asche bleiben immer zurück. Nicht selten jedoch fällt etwas um, geht zu Bruch, hinterlässt einen Schmierfilm oder wie auch immer Beschaffenes. Die Welt ist voller Gegenstände für kleine Menschen, die sie mit ihren kleinen Händen einfach so benutzen, ohne sie zu beschädigen. Ferdinand ist ein großer Mann, dessen Blick weit ins Land fällt. Was betreffen ihn da Krümel? Wie soll er sie überhaupt bemerken?“

„3.3.

Roland ist richtig schlecht gelaunt. Er hadert mit seinen Texten und verlässt kaum sein Zimmer. Nicht so kontaktfreudig, der Typ heute. Zur Aufmunterung male ich ihm ein Bild. Morgen will ich es ihm schenken.“

Almen, Siebenbürgen und Rumänien sind in dem Buch fremde Umgebung des Geschehens. Es ging Roland und Ferdinand auch überhaupt nicht darum, fremde Landstriche zu erkunden, sondern mit dem anderen eine Zeit lang an einem relativ isolierten Ort zu verbringen. Es war ein soziales Experiment. Ursprünglich war als Ort des Geschehens Kuba angedacht, was aber aufgrund zu hoher Kosten verworfen wurde. Es hätte auch Kroi i Bardhe in Albanien werden können (gibt es tatsächlich). Es wurde aber Almen, da eine Internetrecherche Roland und Ferdinand darauf aufmerksam machte, dass dort ein Gästehaus des Mihai Eminescu-Trusts steht, welches die beiden dann mieteten.

In Almen und Rumänien sind für Roland und Ferdinand dann auch viele Sachen skurril, die meinereins als normal wahrnimmt. Das macht meiner Meinung nach auch einen Reiz des Buches aus: Aha, so kann man Siebenbürgen empfinden, wenn man es nicht kennt und sich vorher auch nicht damit beschäftigt hat. Ich glaube, ich habe auch viel gelacht, weil mir anhand der Schilderung der beiden selbst auch Einiges an uns beziehungsweise an Rumänien komisch vorham. An Roland und Ferdinand sowieso, klar.

Ein Kommentar

  1. Toller und gelungener Artikel.
    Für mich war es ein sehr schöner und unterhaltsamer Abend.Oh Gott, das war eine Untertreibung – ich habe Tränen gelacht bei den Geschichten der beiden Herren. Anscheinend haben Roland & Ferdinand direkt meinen Humor getroffen.

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