In Rumänien stürzte heute die Regierungspartei PSD über einen Misstrauensantrag den erst vor gut fünf Monaten von ihr eingesetzten Premierminister. Wahnsinn. Seit einem halben Jahr bietet die PSD (gemeinsam mit der Koalitionspartei ALDE, deren Beitrag hier aber vernachlässigt wird) der Welt großes Kino. Die einzelnen Ereignisse in Kürze – die Beiträge hinter den Links bieten vertiefte Informationen:
- Im Dezember 2016 gewinnen die so genannten Sozialdemokraten (PSD) die Parlamentswahlen in Rumänien. Der Parteichef Liviu Dragnea jedoch ist vorbestraft und darf deswegen selbst nicht Premierminister werden.
- Deswegen setzt er – sein erster Vorschlag geht bei Präsident Johannis nicht durch – mit Sorin Grindeanu einen folgsamen und noch weitgehend unbekannten Mann als Regierungsschef ein.
- Der Regierungschef befolgt anfangs auch artig die Vorgaben des Parteichefs und versucht nach dessen Vorgabe, in einer Nacht- und Nebelaktion mittels einen Eilverordnung die Rechtsprechung zu Korruption aufzuweichen. Das kommt jedoch nicht gut an: In ganz Rumänien entstehen Ende Januar Massenproteste.
- Der bisher brave Regierungschef wittert nun seine Chance, stellt sich auf die Seite der Demonstranten und widerruft die Eilverordnung. Das findet der Parteichef aber nicht gut. Ihm wird ein hohes persönliches Interesse unterstellt, Korruption und Amtsmissbrauch etwas lässiger zu definieren. Der unzufriedene Parteichef lässt nun generell die Arbeit der Regierung analysieren. Und zwar von jemand, der auch eine eher spezielle Einstellung zu Korruption und Amtsmissbrauch hat.
- Dabei offenbart sich – welch Überraschung – dass die Arbeit der Regierung schlecht ist. Der Parteichef fordert den Rücktritt der Regierung. Die Minister, die ihn nicht erzürnen wollen, stellen sofort ihr Amt zur Verfügung. Der mittlerweile widerspenstige Regierungschef will jedoch nicht. Und holt sich Hilfe von einem alten Hasen: Victor Ponta, der 2015 zurückgetretene Premierminister, weiter bekannt durch Plagiats- und Korruptionsvorwürfe, wird Generalsekretär der Regierung. Der Parteichef und der neue Generalsekretär mögen sich übrigens überhaupt gar nicht, sondern liefern sich immer mal wieder lustige Gefechte.
- Der Parteichef hat nun die Nase voll und stellt einen Misstrauensantrag im Parlament. Der widerspenstige Regierungsschef muss weg. Dieser rechnet sich aber gute Chancen aus, das Duell zu gewinnen. Partei- und Regierungschef ziehen nun alle Register, um den jeweils anderen zu diskreditieren.
- Heute wurde nun im Parlament abgestimmt. Die anderen Parteien wollten an der Abstimmung PSD gegen PSD nicht teilnehmen. Das Ergebnis: Der Parteichef hat gewonnen (zumindest kurzfristig), der Regierungschef ist keiner mehr.
- Nun braucht der Parteichef aber einen neuen folgsamen Regierungsschef, um seine Interessen durchzusetzen. Die nächste Folge der Serie „Politik oder so in Rumänien“ ist in der Mache. Nach der Krise ist vor der Krise.
Wenn das Ganze eine Serie wäre, wäre sie spannend, bizarr, komisch. Wahrscheinlich würde man sie aber als realitätsfern bezeichnen …