Wer Lust auf einen sehr guten Dokumentarfilm hat, sollte sich „Arbeit macht das Leben süß, Faulheit stärkt die Glieder“ von Claudia Funk ansehen. Der Film kam im Oktober 2015 in Deutschland in die Kinos, wo er immer noch vereinzelt läuft. Zudem gibt es ihn auf DVD.
Im Kern des Films geht es um ein Altenheim in Hetzeldorf bei Mediasch und dessen Bewohner. Im Großen und Ganzen geht es um den Exodus der Siebenbürger Sachsen. Zurückgeblieben sind vor allem Alte und Schwache wie in Hetzeldorf, die keine Anverwandten oder Freunde in Siebenbürgen haben, bei denen sie alt werden können. Das klingt traurig und ist es auch.
Diejenigen, die keine Verwandten hatten, blieben in ihren Häusern alleine, erklärt Ursula Juga Pintican, Leiterin des Diakonievereins, zu dem das Altenheim gehört. Die Initiative zur Gründung des Altenheims geht auf die den Heldsdörfern sehr gut bekannte Christa Plajer zurück, damals Vorsitzende des Diakonievereins Mediasch, „die sehr sozial eingestellt war und die gesagt hatte, wir gründen eine Gemeinschaft. Wir schauen, wo wir ein Haus haben und wo wir die Alleinstehenden zusammenbringen können, die nicht mehr imstande sind, selbst für sich zu sorgen“, so Ursula Juga Pintican
Aus dem einen Haus sind mittlerweile drei verbundene Bauernhäuser geworden. Zudem ist in Hetzeldorf etwas Besonderes entstanden: Es ist ein Modell gefunden worden, dass den alten Leuten nicht nur eine Bleibe gibt, sondern auch die Möglichkeit, sich nach ihren Interessen und Fähigkeiten in die Gemeinschaft einzubringen. Und die Leute, die im Film zur Sprache kommen und begleitet werden, zeigen, dass dies ihnen sehr gut tut.
Der Film lebt davon, dass einige der etwa 30 Bewohner des Heims länger sehr einfühlsam begleitet werden. Und vorneweg sei gesagt: Es treten besondere Charaktere auf, die stolz ihre Aufgaben präsentieren, Witze machen oder ihr Leben erzählen.
Da müssen zunächst Lorenz Auner und Hans Göffert erwähnt werden, die sich bei einem Fest in Scholten treffen, wo Hans Göffert wiederum in einem anderen Altenheim wohnt. Beide sind 75 Jahre alt und tauschen sich über ihre jeweiligen Heime, Sonnenbrillen und sonstiges aus. Beiden sitzt der Schalk im Nacken. Mich haben sie an die beiden Alten aus der Muppets Show erinnert, die sich ihre eigenen Gedanken zu ihrer Umwelt machen und Spaß dabei haben.
Weiter belebt Anna Stirner den Film, die äußerst griesgrämig wirkt – dabei aber nicht unsympathisch – und ihre Launen auch nicht vor ihren Mitmenschen verbirgt. Die tragen dies aber mit Fassung.
Dann erzählt Johann Klatt, zugleich Burghüter in Hetzeldorf, wie er Gewitter und Hagel vertreibt: „Wenn ein Gewitter kommt, die große Glocke, die vertreibt das! Nur ich muss [rechtzeitig] hoch auf dem Turm sein, und wenn es fängt an zu donnern und zu lichtern, […] fange ich an zu läuten mit der großen Glocke, […] und dann geht das Gewitter weiter. […] So ist hier seit 22 Jahren kein Hagel gefallen.“
Bewegend ist das Schicksal von Georg Weber, der nie seinen Vater kennengelernt und seine Mutter als Kind verloren hat. Er erzählt, wie er beim Pfarrer groß geworden ist. Zudem begleitet ihn die Kamera, als er seinen Heimatort besucht. Hier zeigt er den Filmemachern die Kirche und erzählt von früheren Zeiten, etwa von Weihnachten, als die Kirche voll war. Der eher schüchterne Charakter erzählt dabei mit zunehmend festerer Stimme von den früheren Zeiten. Man spürt, dass er sich damals in der Dorfgemeinschaft gut aufgehoben gefühlt haben muss.
Jeder der Bewohner des Altenheims hat eine feste Aufgabe. Einige kümmern sich um die Kühe, andere um den Garten, die Rüstigen machen Heu oder gehen auf das Feld. Jeder tut das in seinem Tempo so lange und so gut er kann. So erarbeiten die Alten ein Drittel der Kosten des Altenheims.
Auffallend ist, dass bei vielen der zur Sprache kommenden Alten eine gewisse Sprachlosigkeit vorherrscht. Im Prinzip kommt bei ihnen zum Ausdruck: „So ist es. Was soll man groß Worte darüber verlieren.“ Leben und Sterben von Müttern oder Großvätern werden in zwei Sätzen abgehandelt. Ich denke, das hat einerseits mit der siebenbürgischen Mentalität zu tun, andererseits damit, dass es sich um Leute handelt, die in der Regel lange mit Einsamkeit zu tun hatten und alleine mit ihrem Schicksal zurechtkommen mussten.
Zum Schluss spielt eine Blasmusikkapelle das Siebenbürgenlied. Lorenz Auner singt mit und muss bei „Siebenbürgen, teure Heimat, sei gegrüßt in Deiner Pracht“ den Blick senken. Etwas später zeigt er die wenigen ihm verbliebenen Bilder seiner Vorfahren. Beim Bild seiner Mutter versagt ihm die Stimme.
Lorenz Auner ist aus meiner Sicht der heimliche Star des Films. Bei ihm kommt eine sehr sympathische Grundhaltung zum Vorschein: Die Vergangenheit war größer, die Gegenwart ist wie sie ist. Trotzdem nutze ich die Möglichkeiten, die sich mir bieten, um das Leben zu genießen.
Mein Respekt vor den alten Leuten, die die Kamera und die Filmemacherin so nahe an sich haben ran gelassen.
Weitere Informationen inklusive einem Trailer gibt es auf der Homepage des Films oder auf der Seite von GMfilms.
Claudia Funk hat übrigens keine Wurzeln in Siebenbürgen. Sie wurde in Bonn geboren und hat in Siebenbürgen Urlaub gemacht, als sie auf einem Fest die Bewohner des Altenheims Hetzeldorf kennenlernte. Die Idee reifte in ihr, einen Film über sie zu machen, was sie ein paar Jahre später – als die Finanzierung des Films stand – dann auch in die Tat umsetzte. Sie ist seit 2007 Filmemacherin und freie Journalistin. Vorher war sie bei verschiedenen Fernsehsendern tätig.